
Kundgebung am Holocaust-Gedenktag – „Bündnis für Toleranz“ rief zur Teilnahme auf dem historischen Marktplatz auf
Von Gunnar Lonnemann
Peine.
Eine Demonstration an einem besonderen Tag: Unter dem Motto „Demokratie wählen“ organisierte das Peiner „Bündnis für Toleranz“ am Montag eine Kundgebung auf dem historischen Marktplatz in Peine. Nach Angaben der Veranstalter folgten etwa 800 Menschen in der Peiner Innenstadt dem Aufruf, sich gegen rechte Tendenzen zu positionieren. Das Peiner Bündnis wollte mit der Demonstration ein klares Statement für Demokratie, Toleranz und Respekt in der Gesellschaft setzen. Der 27. Januar war als Veranstaltungstag dabei ganz bewusst gewählt, denn vor genau 80 Jahren fand die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch sowjetische Truppen statt.
Vielfalt der Redner: Stimmen aus der Gesellschaft
Kurz vor der Bundestagswahl kamen bei der Kundgebung auf dem historischen Marktplatz keine Politiker, sondern Menschen aus den Bereichen Schule, Sport, Arbeit und Glaube zur Sprache. Die Wortbeiträge zeigten, dass der Zustand der Demokratie und der Einfluss rechter Tendenzen die Menschen in Peine beschäftigt. „Eine freiheitliche und friedliche Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Auch unsere Grundwerte in Deutschland geraten in Gefahr“, sagt Henning Meyer, Vorsitzender des Peiner „Bündnis für Toleranz“. Zuletzt sorgte das Attentat im bayrischen Aschaffenburg für Entsetzen in der Gesellschaft. Der Messerangreifer von Aschaffenburg wohnte in einer Asylunterkunft und war nach Angaben des bayrischen Innenministers in psychiatrischer Behandlung. „Vorfälle wie dieser sind nicht zu akzeptieren. Wir müssen aber genau gucken, wie wir damit umgehen und welche Schlüsse wir daraus ziehen. Aus meiner Sicht gibt es keine einfachen und schnellen Lösungen“, sagt Meyer.
Einfluss von Macht und Geld auf die Demokratie
Sebastian Wertmüller, Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft Verdi, ging in seiner Rede auf den Einfluss des Tesla-Chefs Elon Musk auf den Wahlkampf in Deutschland ein. „Wenn ein Multimillionär daher kommt und uns sagt, wen wir zu wählen haben, dann bin ich von Grund auf misstrauisch und ich hoffe, ihr seid das alle“, sagt Wertmüller. Der Verdi Bezirksgeschäftsführer verwies auf die Notwendigkeit der Kundgebungen. „Wir müssen einen langen Atem haben und in die Gesellschaft einwirken“, so Wertmüller.
Brücken statt Spaltung: Appell der Takva-Moschee
Viel Applaus bekam Ekrem Cibikci, Sprecher der Takva Moschee in Peine. „Wir Muslime gehören zur Gesellschaft. Wir wollen keine Spaltung, sondern Brücken bauen“, sagt Cibikci. Aus seiner Sicht hängen Vorurteile häufig mit Unwissenheit zusammen. Deswegen rief der Sprecher der Takva-Moschee auf: „Kommt uns besuchen, lernt uns kennen und stellt Fragen.“
Nach Meinung der Kreisschülersprecherin Maja Siedlecka werde die Gesellschaft von rechten Ideologien derzeit unterwandert. Die rechtsextremen Anhänger hätten dabei eine Strategie, die Menschen zu beeinflussen. Sie schaffen ein Feindbild und versuchen, Gesellschaften zu spalten. „Unsere Aufgabe ist es, dagegen zu kämpfen. Wir sind viele und wir sind laut. Nicht, weil wir hassen, sondern, weil wir lieben. Wir lieben die Menschen“, sagt Siedlecka.
Marion Schmager vom Kirchenkreis Peine verdeutlichte, dass eine starke Gesellschaft unterschiedliche Meinungen aushalten könne. Eine schwache Gesellschaft ließe hingegen nur gleiche Meinungen zu. Schmager stellt klar: „Wir haben hier kein Problem mit Menschen, die anders denken“ und führt weiter aus: „Wir haben Probleme mit Misstrauen und Vorverurteilung.“
Der Sport als Symbol für Akzeptanz und Vielfalt
Auch der Vorsitzende des Kreisfußballverbandes, Hans-Herrmann Buhmann richtete eine Ansprache an die Teilnehmer der Kundgebung. Der Sport stehe für das Einhalten von Regeln, Akzeptanz und Vielfalt. Es finden sich Spieler aller sozialen Schichten im Sport wieder. „Mit der Wahl einer Partei, die unsere Grundrechte eingrenzen will, setzen wir auch unsere Meinungsfreiheit aufs Spiel“, sagt Buhmann.
„Omas gegen Rechts“: Ein starkes Plädoyer für Demokratie
Zum Schluss kamen Frauen der Gruppe „Omas gegen Rechts“ auf die Bühne und präsentierten Kernbotschaften für den Erhalt der Demokratie. „Wir sind für gleiche Menschenrechte, für die Demokratie, weil sie die Freiheit ermöglicht, für das Verbot rechtsextremer Parteien“, sagten die Mitgliederinnen der „Omas gegen Rechts“.
Migration und politische Debatten kurz vor der Wahl
Vier Wochen vor der Bundestagswahl am Sonntag, 23. Februar, nehmen die politischen Debatten an Fahrt auf. Die CDU will laut ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz bezüglich der Migration Gesetze einbringen, „unabhängig davon, wer ihnen zustimmt“. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert die Aussagen der CDU. „Nachdem CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz die Tür zur AfD weit aufgemacht hat, und die AfD jubelt, braucht es den Protest der Demokratinnen und Demokraten“, heißt es bei der Gewerkschaft.
Auch in Peine wird vor der Bundestagswahl über die Demokratie und mögliche Regierungskoalitionen diskutiert. Zur Teilnahme an der Kundgebung riefen verschiedene Peiner Gruppen auf, so auch Verdi. Weitere Unterstützung gab es von Kirchen, Sportvereinen, „Omas gegen Rechts“, dem Kreisschülerrat und Initiativen wie „Familien für Familien“.
Bereits im vergangenen Jahr hatten mehrere hundert Peinerinnen und Peiner auf dem historischen Marktplatz gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass demonstriert. Im Vorfeld der Europawahl 2024 sorgte ein Geheimtreffen im Januar 2024, bei dem einflussreiche AfD-Politiker mit bekannten Rechtsextremisten über die Vertreibung von Migranten gesprochen haben sollen, für große Aufregung. Vor der anstehenden Bundestagswahl in vier Wochen erhoffen sich die Kundgebungs-Organisatoren eine neue, vergleichbare Bewegung in Peine, die sich dem Rechtsruck entgegenstellt.
Ähnlich wie in Peine gab es am vergangenen Wochenende in mehreren deutschen Städten Demonstrationen gegen einen Rechtsruck und für die Demokratie. In Berlin sprach die Polizei von bis zu 35.000 Teilnehmenden, in Köln demonstrierten etwa 40.000 Menschen.
PAZ vom 29.01.2025